
- Gesundheit
Kräuterwanderungen: Essbare Pflanzen entdecken und erleben
Auch wenn nach so einer Kräuterwanderung nicht alle Pflanzen im Gedächtnis bleiben — die freudige Überraschung, an welchen Schätzen medizinischen und kulinarischen Wissens man sonst achtlos vorbeigeht, ist nachhaltig. Wir haben die Kräuterexpertin Renate Bremicker befragt:
In der Natur sehen viele Pflanzen nicht so aus wie auf Abbildungen in Büchern. Je nach Jahreszeit, Standort und Nährstoffgehalt des Bodens entwickelt sich die gleiche Pflanzenart ganz unterschiedlich. Umso wichtiger ist es daher, alle Sinne gebrauchen zu lernen und eine gewisse Systematik der Pflanzenbestimmung zu kennen. Das kann lernt man am besten in der Praxis.
Meine Kräuterwanderungen haben immer einen thematischen Schwerpunkt. Wenn ich essbare Wildkräuter vorstelle, stehen andere Pflanzen im Fokus, als wenn ich Pflanzen zeige, die für die Frauenheilkunde wichtig sind oder — bei Kinderführungen — in Märchen eine Rolle spielen.
Nicht jede Pflanze ist gut für uns Menschen. Deshalb ist es wichtig, dass wir erst einmal genau hinschauen, bevor wir sie berühren oder gar ein Blatt wegnehmen. Es gibt bei uns sehr giftige Pflanzen, die man besser nicht berühren sollte. Andere sind zwar nicht giftig, können jedoch unangenehme Hautreaktionen hervorzurufen.
Nur durch das genaue Betrachten aller Pflanzenteile ist eine exakte Bestimmung möglich. Wichtig sind die Form und die Anordnung der Blätter, die Farbe und Form der Blüten, die Größe der Pflanze, der Stiel und manchmal auch die Wurzeln.
Wenn wir die Pflanze bestimmt haben, komme ich auf die Anwendungen zu sprechen. Manche Pflanzenteile können vielleicht in der Küche verwendet werden, zum Beispiel die Blätter als Gemüse oder Salat oder die Blüte als essbare Dekoration. Manchmal kann man aus den Wurzeln ein wohlschmeckendes Gericht zaubern. Und häufig sind bestimmte Teile der Pflanze auch medizinisch nutzbar, zum Beispiel als Aufguss oder zerkleinert als breiiger Umschlag. In einer Pflanze kann also ganz viel Verschiedenes stecken – und das ist es, was uns Menschen fasziniert.
Meistens zwei Stunden. In dieser Zeit stelle ich etwa 30 bis 40 verschiedene Pflanzen vor. Am Ende merken sich die Teilnehmer meist nur drei bis vier Pflanzen. Um selbst loszuziehen und Wildkräuter zu sammeln, empfehle ich daher, mehr als eine geführte Wanderung mitzumachen. Dann ist man sicherer in der Bestimmung der Pflanzen und kennt bereits einige Pflanzen mehr.
Einige Pflanzen sind natürlich bekannter als andere. Zum Beispiel Klee, Löwenzahn oder Sauerampfer. Nur wenige Teilnehmer wissen, dass manche dieser Pflanzen nicht für alle Menschen gleich gut verträglich sind. Sauerampfer und Sauerklee enthalten zum Beispiel Oxalsäure, ein Stoff, der von Menschen mit Nierenleiden besser gemieden werden sollte.
Wer nach Kräutern sucht, bewegt sich langsamer und achtsamer durch die Natur. Wir legen bei einer Kräuterwanderung meist nur kleine Strecken zurück. Dennoch sind die Teilnehmer am Ende überrascht, was sie alles entdeckt und erlebt haben. Diese Intensität der Begegnung mit der Natur, gepaart mit der Erkenntnis, wie vieles zusammenhängt und sich wechselseitig bedingt, macht den Reiz einer Kräuterwanderung aus.
Nur Pflanzen zu sammeln, die sie wirklich kennen. Nur so viel zu sammeln, wie sie verarbeiten können. Immer genug stehen zu lassen, damit die Pflanze überlebt. Kräuter niemals neben dicht befahrenen Straßen, neben gedüngten Feldern oder an Hundewegen zu pflücken. Und zur Sicherheit ein gutes Bestimmungsbuch dabei zu haben.
Für Einsteiger, drei Leichtgewichte für den Rucksack:
- "Welche Beeren und Wildkräuter sind das?" stellt 130 essbare Pflanzen vor, sortiert nach Jahreszeiten und Blütenfarben (Kosmos Verlag)
- „Essbare Wildkräuter und Wildbeeren für unterwegs“ ordnet die Pflanzen ihren jeweiligen Lebensräumen zu (Kosmos Verlag)
- „Wildkräuter und Wildfrüchte bestimmen leicht gemacht“ teilt die Pflanzen speziell nach der Blattworm ein (Gräfe und Unzer Verlag).
Für Erfahrenere, zwei umfangreichere Werke:
- „Essbare Wildpflanzen, 200 Arten bestimmen und verwenden“ beschreibt Blattformen, Standort, Erntezeit, essbare Pflanzenteile sowie Verwendung in Küche und Hausapotheke sehr sorgfältig (AT-Verlag)
- "Der illustrierte BLV Pflanzenführer für unterwegs" stellt über 1000 Blumen, Gräser, Bäume und Sträucher vor. Statt Fotos arbeitet dieses Nachschlagewerk mit Illustrationen, die die typischen Pflanzenmerkmale zeigen.
Eher fürs Schmökern auf dem Sofa eignet sich das schön bebilderte Buch der Kräuterpädagogin Monika Wurft, die in "Mein Wildkräuterbuch" 30 essbare Pflanzen vorstellt und ihre kulinarische und medizinische Verwendung beschreibt (Ulmer Verlag).

Renate Bremicker ist ausgebildete Heilpraktikerin, sie führte über 35 Jahre ihre eigene Naturheilpraxis und bietet seit 17 Jahren regelmäßig Kräuterwanderungen in Wachenheim und Umgebung an.