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Wandern mit blinden und sehbehinderten Menschen — ein besonderes Erlebnis
Wandern mit Blinden? Viele Sehende können kaum glauben, dass Blinde selbst längere Touren bewältigen können, wenn sie in Begleitung unterwegs sind. Wir haben unseren Wanderfit-Experten dazu befragt.
Jürgen Wachowski: Vor Jahren habe ich an einer "Blinden-Wanderwoche" des Schwarzwaldvereins in Bad Liebenzell teilgenommen. Dabei habe ich meinen blinden Wanderfreund Ralf kennengelernt, mit dem ich seither immer wieder unterwegs bin.
Jürgen Wachowski: Wie bei Sehenden hängt die Auswahl der Tour von der Fitness des Geführten ab. Wanderungen von 10 bis 15 Kilometer sind durchaus möglich. Wichtig ist es, die Anreise gut zu organisieren. Ein idealer Startpunkt für Wanderungen mit Blinden ist zum Beispiel ein Bahnhof. Dort hole ich meine Wandergefährten direkt am Bahnsteig ab. Die Strecke bereite ich sorgfältig vor und laufe sie vorher ab. So weiß ich, wie die Wege beschaffen sind und kann die Zeit besser planen. Was viele überrascht: Blinde können jeden Weg gehen – selbst im Hochgebirge.
Jürgen Wachowski: Hier gibt es zwei Möglichkeiten. Die ideale Form für breitere Wege: Ich als Führungsperson gehe voraus, der oder die Blinde ist einen Schritt hinter mir und hält sich an meinem Oberarm fest. Dadurch übertragen sich meine Bewegungen. Blinde spüren sofort, dass sich mein Gang verändert — zum Beispiel, wenn ich ein Bein hebe, um über eine Wurzel oder ein Hindernis zu steigen.
Blinde Wanderer, die keinen Körperkontakt möchten, sind mit einem kurzen Seil mit dem Wanderführer verbunden. Hier sage ich Veränderungen im Gelände an, zum Beispiel herunterhängende Äste oder große Steine. Erleichternd ist, dass die meisten Blinden ein phantastisches Gespür haben und vieles früher wahrnehmen als ich.
Jürgen Wachowski: Bei Pfaden geht der Blinde direkt hinter der Führungsperson und hält sich am Rucksack fest. Treppen sage ich mit „auf“ oder „ab“ an.
Jürgen Wachowski: Ich versuche zum Beispiel, Besuche von Burgen und Schlössern einzuplanen. Das ist eine schöne Abwechslung, weil die Sinne der Blinden anders gefordert sind als im Wald. Bei schönen Ausblicken überlege ich bereits bei der Vor-Tour, wie ich die Landschaft lebendig beschreiben könnte. Vieles machen wir auch gemeinsam, zum Beispiel Bäume abtasten, an Blumen und Kräutern riechen und Beeren schmecken. Und natürlich lauschen wir dem Gesang der Vögel und spüren bei Sonnenschein die Wärme auf der Haut.
Jürgen Wachowski: Die Ausrüstung ist die gleiche wie bei Sehenden: normale Outdoor-Kleidung und gutes Schuhwerk, wobei die meisten Blinde lieber Halbschuhe tragen, weil die Sohle flexibler ist und sie so mehr Gefühl in den Schuhen haben. Wanderstöcke brauchen Blinde nicht, wenn sie geführt werden. Bei der Auswahl der Wanderwege gibt es keine Einschränkungen, Blinde können mit einem Wanderführer grundsätzlich auf jedem Untergrund gehen.
Jürgen Wachowski: Es gibt nur wenige spezielle Wege für Blinde, die sie alleine mit ihrem Blindenstock gehen können. Meistens handelt es sich dabei um kurze Spazierwege wie Wald- oder Naturlehrpfade. Spezielle GPS-Geräte für Blinde habe ich übrigens noch nicht kennengelernt. Die meisten nutzen gute „normale“ Apps, die sie auf ihrem Smartphone haben. Das funktioniert sehr gut.
Jürgen Wachowski: Tatsächlich erlebe ich Natur und Landschaft bei diesen Wanderungen viel intensiver, weil ich alle meine Sinne aktiv nutze. Ich wünsche mir sehr, dass es mehr Wanderungen mit blinden Menschen gibt, weil beide Seiten davon profitieren können und dadurch viele Barrieren abgebaut werden. Deshalb freu ich mich jedes Mal, wenn bei einer Wanderung oder Wanderreise blinde Mitwanderer dabei sind. Gerne können mich blinde Menschen kontaktieren, die das geführte Wandern einmal ausprobieren möchten.

... ist ausgebildeter Wanderführer und widmet sich seit Jahren intensiv dem Thema „Gesundheitswandern“. Zusammen mit anderen Wanderführern bietet er in der Pfalz regelmäßig Gesundheitswanderungen an.